Ertragswertverfahren
Wichtig zu wissen
- Das Ertragswertverfahren ist ein gängiges Verfahren, um eine Immobilie zu bewerten, die einen Ertrag erzielt.
- Es kommt immer dann zum Einsatz, wenn es sich um Immobilien handelt, die vermietet oder verpachtet sind oder werden können.
Inhalt dieser Seite
- Was ist das Ertragswertverfahren?
- Welche Begriffe (Faktoren) spielen eine wichtige Rolle für das Ertragswertverfahren?
- Wann nutzt man das Ertragswertverfahren?
- Wie berechnet man den Ertragswert?
- Stark vereinfachtes Ertragswertverfahren
- Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens
- Häufig gestellte Fragen zum Thema Ertragswertverfahren
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist ein gängiges Verfahren, um eine Immobilie zu bewerten, die einen Ertrag erzielt. Hierbei handelt es sich in der Regel um vermietete Wohnungen, Wohnhäuser, Büroflächen oder Ladengeschäfte. Auch Pensionen, Hotels oder Parkhäuser fallen darunter.
Der sogenannte Ertragswert besteht aus zwei Komponenten: zum einen der Bodenwert des Grundstücks und zum anderen dem Ertragswert des Gebäudes.
Das Ertragswertverfahren rechnet also zunächst den theoretischen Ertragsanteil des Bodens aus dem Gesamtertrag der Immobilie heraus, um danach zunächst den Ertragswert des Gebäudes sauber bestimmen zu können. Dieser hängt vom Liegenschaftszins und der Restnutzungsdauer ab.
Im Anschluss wird der Bodenwert mithilfe des Bodenrichtwerts und der Grundstücksgröße dem Gebäude-Ertragswert wieder hinzugerechnet.
Eine Beispiel-Rechnung besprechen wir weiter unten im Artikel.
Welche Begriffe (Faktoren) spielen eine wichtige Rolle für das Ertragswertverfahren?
Rohertrag – Alle Erträge, die die Immobilie generiert.
Bewirtschaftungskosten – Jährliche Kosten, die für die Unterhaltung einer Immobilie anfallen. Hierunter fallen zum Beispiel Verwaltungskosten, Instandhaltungsmaßnahmen sowie Instandsetzungskosten.
Bodenwert – Hierbei handelt es sich um den reinen Wert des Grundstücks, ohne Bebauung.
Restnutzungsdauer – Die Restnutzungsdauer setzt sich aus der Differenz zwischen Gesamtnutzungsdauer und Alter der Immobilie zusammen. Der Wert gibt an, wie viele Jahre man die Immobilie theoretisch noch wirtschaftlich nutzen kann.
Liegenschaftszins – Der Liegenschaftszins ist eine Rentabilitätskennzahl, der die Entwicklung des Immobilienmarktes widerspiegelt. Genauer genommen ein Wert, der das künftig zu erwartende Verhältnis zwischen Kaufpreis und Einnahmen aufzeigt.
Baulicher Zustand: In welchem Zustand befindet sich die Immobilie? Wurden bereits Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen oder fallen demnächst welche an?
Zu- und Abschläge: Eine individuelle Anpassungen, die durch wertbeeinflussende Merkmale einer Immobilie zustande kommen.
Vervielfältiger: Ein Erfahrungswert der das Verhältnis des Kaufpreises zu der Jahresnettokaltmiete, auch Jahresrohertrag genannt, angibt. Je nach Lage, Ausstattung, Alter, Zustand und Möglichkeit der Mieterhöhung wird der Wert nach unten oder oben korrigiert. Der ortsübliche Vervielfältiger lässt sich beim örtlichen Gutachterausschuss erfragen.
Beispiel: 1.520.000 € (Kaufpreis) / 80.000 € (Jahresnettomiete) = 19 (Ertragsfaktor)
In diesem Beispiel würde es 19 Jahre dauern, bis der Kaufpreis durch die Mieteinnahmen wieder ausgeglichen ist.
Wann nutzt man das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren kommt immer dann zum Einsatz, wenn es sich um Immobilien handelt, die vermietet oder verpachtet sind oder werden können.
Hierbei handelt es sich häufig um folgende Immobilien:
- Vermietete Immobilien: Wohnungen, Häuser oder Mehrfamilienhäuser
- Gewerbeimmobilien: Büroflächen, Ladengeschäfte oder Praxen
- Spezielle Objekte: Parkhäuser, Waschstraßen oder Freizeitanlagen
Tipp
Bei leerstehenden Eigentumswohnungen kommt das Ertragswertverfahren normalerweise nur unterstützend zum Tragen. Hier wird der Wert meistens verlässlicher mit dem Vergleichswertverfahren ermittelt.
Wie berechnet man den Ertragswert?
Der Ertragswert wird mit folgender Formel berechnet:
Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert der baulichen Anlagen +/- Zuschläge/Abzüge
Schritt 1: Bodenwert berechnen
Für die Berechnung des Bodenwerts müssen wir die Grundstücksfläche mit dem Bodenrichtwert pro m² und dem Umrechnungskoeffizienten multiplizieren. Der Umrechnungskoeffizient passt den Bodenrichtwert auf die richtige Grundstücksgröße an und wird vom örtlichen Gutachterausschuss herausgegeben.
In unserem Beispiel entspricht die vorliegende Grundstücksgröße exakt der Grundstücksgröße, zu dem der Bodenrichtwert angegeben wird – meistens bei 600 m². Deshalb ist der Umrechnungsfaktor hier 1.
Bodenwert = Bodenrichtwert/m² x Grundstücksfläche x Umrechnungsfaktor
Beispielrechnung: 300 € x 600 m² x 1 = 180.000 €
Der Bodenwert beträgt 180.000 €.
Schritt 2: Rohertrag ermitteln
Beim Rohertrag handelt es sich um die Jahresnettokaltmiete, welche die jeweilige Immobilie einbringt. Bei der Berechnung kann entweder mit der aktuellen Ist-Miete gerechnet werden, oder mit der aktuellen am Markt üblichen Miete (Soll-Miete). In unserem Beispiel rechnen wir mit dem aktuellen marktgerechten Mietpreis (Soll-Miete) pro Quadratmeter, da wir in diesem Fall davon ausgehen, dass die Miete kurzfristig auf das marktübliche Niveau angepasst werden kann.
Rohertrag = Wohnfläche x €/m² x 12 Monate
Beispielrechnung: Aktuell ist ein Mehrfamilienhaus mit 200 m² Wohnfläche in guter Lage für 8€/m² vermietet. Die ortsübliche Vergleichsmiete liegt allerdings bei 10€/m².
200 m² x 10 €/m² x 12 = 24.000 €/Jahr
Es ergibt sich ein Jahresrohertrag in Höhe von 24.000 € pro Jahr
Schritt 3: Reinertrag berechnen
Wenn man von den Einnahmen alle Ausgaben abzieht, bleibt der Reinertrag übrig. Für die Berechnung muss man also alle Ausgaben abziehen, welche man nicht auf den Mieter umlegen kann.
Unter die nicht umlegbaren Kosten fallen zum Beispiel:
- Betriebskosten
- Instandhaltungskosten
- Verwaltungskosten
- Mietausfallwagnis
Reinertrag = Rohertrag – nicht umlegbare Kosten
Beispielrechnung:
Die Kosten, die nicht auf den Mieter umgelegt werden können, betragen 6.000 € pro Jahr.
24.000 € – 6.000 € = 18.000 €
Der Reinertrag beträgt 18.000 € pro Jahr
Schritt 4: Grundstücks-Reinertrag ermitteln
Für die Berechnung des Reinertrags des Grundstücks benötigt man den Liegenschaftszins. Ein Wert, der das künftig zu erwartende Verhältnis zwischen Kaufpreis und Einnahmen aufzeigt. Der Liegenschaftszins wird vom örtlichen Gutachterausschuss herausgegeben. Dafür wird der Liegenschaftszins mit dem Bodenwert multipliziert.
Reinertrag des Grundstück = Liegenschaftszins x Bodenwert
Beispielrechnung: Bei unserem Beispielobjekt liegt der Liegenschaftszins bei 5%.
0,05 x 180.000 € = 9.000 €
Der Grundstücks-Reinertrag liegt in unserem Beispiel bei 9.000 €.
Schritt 5: Gebäude-Ertragswert berechnen
Für diese Berechnung muss der sogenannte Barwertfaktor berücksichtigt werden. Der Barwertfaktor ergibt sich aus einer Tabelle der ImmoWertV und hängt ab vom angegebenen Liegenschaftszins des Gutachterausschuss für diese Immobilie sowie der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Die Tabelle ist hier zu finden.
Gebäude-Ertragswert = Barwertfaktor x Reinertrag
Beispielrechnung: Bei unserem 200 m² Mehrfamilienhaus wird eine Restnutzungsdauer von 30 Jahren ermittelt. Wenn wir von einem Liegenschaftszins in Höhe von 5% ausgehen, ergibt dies einen Faktor von 15,37 laut Tabelle der ImmoWertV..
Dieser Wert muss nun mit dem Reinertrag des Gebäudes multipliziert werden.
18.000 € x 15,37 = 276.660 €
Der Gebäude-Ertragswert liegt bei 276.660 €.
Schritt 6: Vorläufigen Ertragswert ermitteln
Damit wir nun den vorläufigen Ertragswert erhalten, muss man den berechneten Gebäude-Ertragswert mit dem vorher berechneten Bodenwert addieren.
Vorläufiger Ertragswert = Gebäude-Ertragswert + Bodenwert
Beispielrechnung: Unser errechneter Bodenwert liegt bei 180.000 € und der Gebäude-Ertragswert bei 274.860 €.
276.660 € + 180.000 € = 456.660 €
Der vorläufige Ertragswert liegt bei 456.660 €.
Schritt 7: Endgültigen Ertragswert berechnen
Abschließend wird der endgültige Ertragswert berechnet. Hier fließen wertbeeinflussende Faktoren in die Berechnung mit ein. Sind Wohnrechte, mietrechtliche Bindungen oder sogar Baumängel vorhanden? Diese wirken sich negativ auf den Wert der Immobilie aus. Selbstverständlich können auch wertsteigernde Faktoren vorliegen, die den Wert erhöhen.
Endgültiger Ertragswert = Vorläufiger Ertragswert +/– Wertbeeinflussende Faktoren
Beispielrechnung: In unserem Beispiel hat die Immobilie eine mietrechtliche Bindung, die den Wert in Höhe von 8.000 € negativ beeinflusst.
456.660 € – 8.000 € = 448.660 €
Der endgültige Ertragswert liegt bei 448.660 €.
Stark vereinfachtes Ertragswertverfahren
Insbesondere Makler nutzen gerne eine sehr vereinfachte Form des Ertragswertverfahrens, um eine erste “Bierdeckel-Rechnung” durchzuführen – die Maklermethode.
Stark vereinfachter Ertragswert = Jahresrohertrag-Multiplikator x Jahresrohertrag
Ein Beispiel: Einem Makler ist bekannt aus Vergleichsdaten und eigener Markt-Erfahrung, dass Investoren für die oben genannte Immobilie einen Rohertrags-Multiplikator von ca. 20 bereit sind zu bezahlen.
24.000 € x 20 = 480.000 €
Der überschlägig berechnete Wert mit der Maklermethode liegt bei 480.000 €.
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Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens
Vorteile:
- hervorragend geeignet für Anlageimmobilien
- nah am Marktpreis orientiert
Nachteile:
- zukünftig steigende Mieten fließen nicht in die Berechnung ein
- Liegenschaftszins spielt eine zentrale Rolle und muss vorhanden sein
7. Häufig gestellte Fragen zum Ertragswertverfahren
Wie unterscheidet sich die Immobilienbewertung von einem Makler und einem Gutachter?
Die Immobilienbewertung durch einen Gutachter macht in erster Linie Sinn, wenn Sie ein gerichtsverwertbares Gutachten, zum Beispiel für einen Rechtsstreit, benötigen. Ein Kurzgutachten kostet in der Regel ab 500 €, ein Vollgutachten ab 1000 €.
Wenn Sie hingegen mit dem Gedanken spielen, Ihre Immobilie zu verkaufen, sollten Sie die Immobilie von einem Immobilienmakler einschätzen lassen. Dieser kennt den aktuellen Immobilienmarkt und wertet die Immobilie kostenlos für Sie ein.
Welche Bewertungsmethode ist die richtige für meine Immobilie?
Das kommt ganz auf Ihre Immobilie an. Grundsätzlich gilt folgende Faustformel:
Wenn vergleichbare Immobilien vorhanden sind, macht das Vergleichswertverfahren Sinn. Das Sachwertverfahren wird in den meisten Fällen bei Häusern und sehr individuellen Immobilien angewendet. Das Ertragswertverfahren wird bei vermieteten oder für die Vermietung geeigneten Immobilien genutzt. Sachverständige & Makler bewerten Immobilien immer mit mehreren Verfahren, um ein möglichst umfassendes Bild vom Wert der Immobilie zu bekommen.
Wie unterscheidet sich eine Online-Bewertung von einer richtigen Immobilienbewertung von einem Profi?
Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, Ihre Immobilie zu verkaufen, ist die Online-Bewertung ein guter erster Indikator für die Kaufpreisfindung. Wenn Ihre Überlegungen allerdings konkreter werden, sollten Sie die Immobilie von einem Profi einschätzen lassen.